24. und 25. März 2022 in Barcelona, Spanien
Nach zweijähriger Pause konnte die Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft der Parfümeure in der SEPAWA e.V. erstmals wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden.
Unter dem Motto „Scent and Inspiration in the City of Gaudi“ trafen sich 34 Teilnehmer in Barcelona.
Am Donnerstag, dem 24. März 2022 begann die Vortragstagung um 12:00 Uhr mit einem gemeinsamen Mittagessen im Tagungshotel Occidental Atenea Mar. Hier hatten die Teilnehmer erste Gelegenheit, sich wieder einmal persönlich auszutauschen.
Anschließend eröffnete Edison Diaz, der Präsident der DGP, das Programm mit dem Tätigkeitsbericht von Vorstand und Beirat über das vergangene Jahr.
Neben der erfolgreichen virtuellen Frühjahrstagung 2021 berichtete der Präsident über die Aktualisierung der DGP Chronik. Die DGP wurde 1979 gegründet, die Chronik wurde als Jubiläumsausgabe zum 40-jährigen Bestehen überarbeitet und in Buchform präsentiert.
Der Förderpreis der DGP 2022 geht an Akshita Joshi, Universität Dresden. Ausgezeichnet wurde ihre Arbeit “Neural Associations between well-being and odor perception“. Wir hoffen, Frau Joshi als Vortragende beim SEPAWA-Kongress im Oktober begrüßen zu können.
Für die Zukunft plant die DGP die nächste Frühjahrstagung vom 23. bis 24. März 2023 in Bad Dürkheim. Ende April 2023 soll es eine Studienreise nach Tunesien geben.
Den ersten Fachvortrag hielt sodann Frau Ana Ripoll Santos, Parfumeurin bei der Firma Iberchem, Murcia, Spanien. Unter dem Titel „The Challenges of Natural Fragrances“ beleuchtete sie die hohe Bedeutung, die Düfte in unserem täglichen Leben haben.
Für kritische Verbraucherinnen und Verbraucher spielen heute Konzepte wie natürlich, Bio, vegan oder abbaubar eine große Rolle als Kaufkriterien. Frau Ripoll erläuterte detailliert, welche ISO-Normen für natürliche Düfte gelten, wann ein Duftstoff als natürlichen Ursprungs bezeichnet werden kann, und auch wie der Unterschied zwischen „biologisch“ und „biologischen Ursprungs“ definiert ist.
Sofern ein Duft den Anforderungen der ISO-Norm entspricht, kann er als natürlich bezeichnet werden. Dies ist allerdings nicht unabhängig überprüft, und es gibt im Rahmen der Norm keine an sich verbotenen Inhaltsstoffe. Den Kriterien für natürliche Inhaltsstoffe entsprechen etwa 40 % der 1500 Duftstoffe in der Palette eines Parfümeurs.
Wesentlich weiter geht der COSMOS Standard für Natur- und Bio-Kosmetik. COSMOS zertifiziert die Einhaltung der eigenen Standards, hier sind etwa nur 20 – 30 % der Standardpalette verwendbar.
Angesichts der genannten Einschränkungen ist es für die Entwicklung eines Duftes unabdingbar, im Briefing sehr genau zu definieren, welche Kriterien der Duft zu erfüllen hat.
Frau Ripoll zeigte an vier Beispielen, wie Düfte unterschiedlicher Auslobung designt werden können. Sie hob auch hervor, dass „natürlich“ nicht gleichbedeutend ist mit „nachhaltig“ oder „sicher“. Insofern liegt auch bei der Industrie eine Verantwortung, mehr Aufklärung zu betreiben, damit eine häufig anzutreffende und irrige Chemophobie überwunden wird.
In der Diskussion wurde gefragt, ob die Einschränkungen bei der Entwicklung natürlicher oder COSMOS-zertifizierter Düfte nicht die Kreativität der Parfümeurin behindern. Hier sei das Gegenteil der Fall, so Frau Ripoll. Man müsse alles Gelernte vergessen, und sehr kreativ ganz neu entwickeln!
Im zweiten Beitrag führte Frau Soizic Beaucourt, Parfümeurin bei Eurofragance, Barcelona; in „The Scents of the Gulf“ ein.
Die Golfregion umfasst die Vereinten Arabischen Emirate, das Königreich Saudi-Arabien und Katar. Duft hat hier eine Jahrtausende alte Tradition und ist eng mit dem Glauben verbunden. Im Koran werden 50 Parfümstoffe erwähnt. Auch von der Pilgerreise nach Mekka werden Düfte als Geschenk an die Familie heimgebracht.
In den Golfstaaten wird achtmal so viel Parfüm pro Kopf verbraucht wie in Europa! Der Duft ist hier untrennbar mit dem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit verbunden. Für den persönlichen Gebrauch sind verschiedenste Formen der Applikation vorhanden: als reines Duftöl ebenso wie als alkoholische Lösung, ohne Alkohol als Duftspray für die Haare oder als Bakhoor (Duftklötze), wo duftende Substanzen auf glühender Kohle zum Räuchern benutzt werden.
Sehr verbreitet ist das Layering in den Golfstaaten. Hier werden zwischen 7 und 9 verschiedene Düfte miteinander kombiniert.
Stilprägend für die Düfte der Golfstaaten sind neben Weihrauch und Myrrhe besonders Moschus, Sandelholz und Oud. Oud oder Adlerholz wird von asiatischen Aquilaria-Bäumen nach Befall mit einem Pilz in ihrem Holz gebildet. Die reine Oud Essenz aus der Destillation von Adlerholz ist einer der wertvollsten und teuersten Duftrohstoffe. Ein Baum kann frühestens nach acht Jahren geerntet werden und erbringt nur 32 ml an reinem Agarholzöl.
Wir hatten Gelegenheit, diesen seltenen und kostbaren Duftstoff allein zu riechen, sowie zwei weitere klassische Duftrichtungen: Mukhallat, basierend auf Rose, Oud, Safran und Sandelholz, und Musk Tahara oder White Musk. Damit hat Soizic Beaucourt uns in den Orient entführt.
Nach der Kaffeepause setzte Camila Tomas, Vice President Innovation and Technology bei Puig, Barcelona, die Vortragsreihe mit ihrem Fachvortrag „Solving Key Pain Points in the Fragrance Industry“ fort. Mit Marken wie Paco Rabanne, Carolina Herrera oder Penhaligons ist Puig groß in der Feinparfümerie vertreten. Für Kundinnen und Kunden macht es die sehr große Auswahl an Düften schwer, den für sie passenden Duft zu finden. Beim Ausprobieren von Parfums ist darüber hinaus die Nase schnell ermüdet.
Puig hat hier ein innovatives System entwickelt, um basierend auf den Vorlieben der Kunden geeignete Düfte zu empfehlen.
Ein Baustein ist der internetgestützte Profiler Wikiparfum. Registrierte Benutzer geben hier ihre persönlichen Vorlieben ein und erhalten daraus Duftvorschläge. In Wikiparfum ist eine sehr umfangreiche Datenbank zu am Markt erhältlichen Düften hinterlegt, die Puig mit eigenen wissenschaftlich erhobenen und anderen unabhängigen Daten über die jeweiligen Düfte aufgebaut hat.
Ein weiteres Element ist der AirParfum Duftdispenser. Er erlaubt es, viele Parfums ohne Überlastung der Nase zu riechen. Das System ist weltweit in großen Parfümerien im Einsatz. Aus dem Feedback der Benutzer generiert es sowohl passgenaue Vorschläge für den Kunden, als auch wertvolle Kundendaten für den Anbieter.
Ein AirParfum Gerät wurde den Teilnehmern im Detail vorgestellt, uns es konnte auch live ausprobiert werden.
Die Leistungsfähigkeit des von Puig entwickelten integrierten Systems zum besseren Verständnis von Kundenprofilen war sehr beeindruckend.
Den Abschluss des Vortragstages bildete Ada Parellada, bekannte Köchin und Eignerin von drei Restaurants in Barcelona. In ihrem Beitrag „Why we eat what we eat“ erläuterte sie voller Leidenschaft, welche Kriterien Menschen bei der Auswahl ihrer Speisen wirklich anlegen. Es ist dies nicht vornehmlich der Wille, sich gesund zu ernähren, um fit und leistungsfähig zu sein. Vielmehr spielt eine große Rolle, welche Nahrung kulturell bekannt ist, was man selbst zuzubereiten gelernt hat, und endlich, welches Essen uns positive Gefühle vermittelt. Mit der Emotionalität des Essens schliesst sich der Kreis zum Riechen, das ja auch ein emotional – sinnliches Erleben ist.
Ohne lange Pause ging das Programm weiter: in einer zweieinhalbstündigen Stadtführung lernten die Teilnehmer die Altstadt von Barcelona kennen. Wir erlebten einen stimmungsvollen Rundgang, der mit interessanten Informationen gespickt war. Er endete im Restaurant El Cangrejo Loco, wo wir bei ausgezeichneter Meeresfrüchtepaella die Gelegenheit zum Gespräch miteinander genossen.
Am Freitagvormittag dann das zweite Highlight der diesjährigen Frühjahrstagung: ein Besuch bei der Firma Lluch Essence SL, Barcelona. Die Eignerinnen Eva und Sofia Lluch empfingen unsere Gruppe, und gaben uns mit ihrem Team einen umfassenden Einblick in die Leistungsfähigkeit ihres Unternehmens. Lluch ist ein Familienunternehmen in dritter Generation, mit 100 Millionen € Jahresumsatz und 150 Mitarbeitern. Die Firma vertreibt 4000 natürliche und synthetische Rohstoffe für Aromen und Parfums, die von 300 Lieferanten bezogen werden. Lluch ist umfangreich zertifiziert und bietet auch Lohnfertigung für Düfte und Aromen an. Jährlich wird ein Nachhaltigkeitsbericht erstellt, der über die Webseite von rightsupply zur Verfügung steht.
Zusammen mit Ivan Borrego informierte Eva Lluch über Beauty Cluster Barcelona, ein Zusammenschluss von 240 Unternehmen der Kosmetik- und Duftindustrie in Spanien. Der Verband hat eine Beauty Business School gegründet, an der derzeit 15 Studenten eine halbjährige Grundausbildung erhalten. Unterstützt wird auch ein jährlicher Parfümeurswettbewerb (Mouilette d’Argent). 2021 gab es 120 Einsendungen zum Thema „Veilchen“, die Teilnehmer kamen aus mehr als 20 Ländern.
Nach einer Führung durch Labor, Verwaltung, Lager und Mischbetriebe überraschte Lluch uns noch mit einem ganz vorzüglichen Lunch, bei dem nochmals Kontakte geknüpft und aufgefrischt wurden.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei Eva und Sofia Lluch sowie bei Thierry Bourrat für die perfekte Organisation und den großzügigen Empfang unserer Gruppe!