Jahresbericht 2023 der Deutschen Gesellschaft der Parfümeure im SEPAWA e.V.

Unter dem Motto „Back to the Future“ fand als erstes DGP-Event des Jahres am 23. und 24. 03. 2023 in Bad Dürkheim die Frühjahrstagung der DGP statt.  

Man kann den Tagungsort als historisch bezeichnen, denn hier, im Kurpark-Hotel, wurde die DGP im Jahre 1979 gegründet.

Das Vortrags- und Besuchsprogramm stand dagegen ganz im Zeichen aktueller und zukünftiger Entwicklungen. Der Schwerpunkt lag auf der Ausrichtung auf sichere und nachhaltige Rohstoff- und Produktangebote. Auch der Firmenbesuch bei der BASF in Ludwigshafen stellte die Nachhaltigkeit der unternehmerischen Tätigkeit in den Mittelpunkt.

Die Fachtagung begann am Donnerstag, dem 23. März 2023, mit einem Mittagsimbiss im Tagungshotel. Für alle 64 Teilnehmer war dies eine erste hervorragende Gelegenheit zu breitem Netzwerken innerhalb der Duftindustrie.

Mit dem Bericht des Vorstands, den der DGP-Präsident Dr. Edison Diaz gab, startete anschließend das Vortragsprogramm.

Im Rückblick auf 2022 erinnerte Dr. Diaz an die DGP-Frühjahrstagung in Barcelona, und die Beiträge der DGP auf dem SEPAWA-Kongress im Oktober 2022.

Aus Anlass des 40jährigen Bestehens der DGP im Jahre 2019 war die Chronik der Gesellschaft ergänzt worden. Sie lag auch im Tagungsraum zur Ansicht aus. Dr. Edison Diaz übergab den anwesenden ehemaligen Präsidenten der DGP, dem Ehrenpräsidenten Dr. Alexander Boeck und Dr. Wolfgang Krause, je ein Exemplar der Chronik mit dem allerbesten Dank für ihren langjährigen Einsatz für die Belange der Parfümerie.

Die nächste Frühjahrstagung soll Ende April 2024 in Prag stattfinden. Weiterhin ist eine Studienreise nach Vietnam im Jahr 2025 oder 2026 in Planung. Die Fachvorträge eröffnete Frau Dr. Maren Protzen (Joh. Vögele KG) mit ihrem Vortrag „Palmarosaöl – Vom Feld zum ISO-Standard“.

ISO, die International Standards Organization, ist eine internationale Vereinigung von Normungsorganisationen, die im Jahre 1947 gegründet wurde. Im Technical Committee 54 befasst sie sich mit der Entwicklung von Standards für Ätherische Öle, von denen es inzwischen 138 gibt.

Die Standards werden von einem Expertengremium gesetzt und regelmäßig überprüft. Für Palmarosaöl leitete Frau Dr. Protzen diese Aufgabe über die nationale Standardorganisation DIN e.V.. 

Palmarosaöl wird durch Wasserdampfdestillation aus den oberirdischen Teilen von Cymbopogon martinii, einem bis zu 3 m hohen Süssgras gewonnen. Sein Hauptbestandteil ist Geraniol. Das Ziel bei der Kultivierung von Palmarosa ist ein möglichst hoher Geraniolgehalt, der von der Dauer der Reifung abhängt. 

Wir konnten das reine Palmarosaöl riechen, und ein aus der Destillation gewonnenes Geraniol.

Die Anbaugebiete von Palmarosa liegen in Asien und Südamerika. Für die Entwicklung ISO-Standards für Palmarosaöl wurden die Daten von 58 Partien des Öls aus 10 Jahren ausgewertet. Sie kamen aus Indien (42), Nepal (9), Paraguay (5) und Guatemala (2). Alle Proben wurden gaschromatographisch auf ihre Zusammensetzung und andere Eigenschaften wie Geruch, Farbe, Dichte, Brechungsindex, optische Drehung und Mischbarkeit mit Ethanol untersucht. Keine der Provenienzen zeigte charakteristische Unterschiede, so dass ein Standard entwickelt werden der alle Provenienzen abdeckte. Mit statistischen Methoden wurden dann die Parameter der Öle analysiert, und die typischen Werte im Standard festgeschrieben.

ISO-Standards beschreiben, wie ein Ätherisches Öl aussieht. Im Unterschied dazu geben Pharmakopöen auch vor, welche Inhaltsstoffe nicht oder nur bis zu einem Grenzwert enthalten sein dürfen.

Der revidierte ISO-Standard für Palmarosaöl wurde im Jahr 2021 veröffentlicht. In Deutschland übernimmt die Normungsorganisation DIN den ISO-Standard direkt.

Der anschließende Vortrag von Dr. Sarah Haberkant (BASF SE) hatte den Titel „Nachhaltigkeit als Beschleuniger für Innovationen – wie Nachhaltigkeit die Duftstoffindustrie transformiert“.

Zahlreiche Hersteller in der Wertschöpfungskette für Aromen und Duftstoffe haben sich ambitionierte Ziele für die Reduktion von CO2-Emissionen gesetzt. Hier werden unterschiedliche Stationen betrachtet. Scope 1 und 2 beziehen sich auf die CO2-Emissionen bei der Herstellung von Produkten und des Energieeinsatzes. Hier können die Unternehmen selbst durch Innovation steuernd eingreifen. Scope 3 hingegen bezieht sich auf den CO2-Fußabdruck, den die eingesetzten Rohstoffe haben. Für die Duftstoffindustrie gehen etwa zwei Drittel der CO2-Emissionen auf die eingesetzten Rohstoffe zurück. Daher liegt ein großes Potential darin, für die Herstellung von Aromen und Duftstoffen fossile Ausgangsstoffe durch erneuerbare zu ersetzen.

Derzeit stammen etwa 33 Prozent der Rohstoffe aus Biomasse. Für eine vollständige Umstellung auf diese Quellen ist aber die verfügbare Menge bei weitem nicht ausreichend für den Marktbedarf. Daher sind zusätzlich neue alternative Ausgangsstoffe aus aufbereitetem Plastikabfall oder organischen Abfällen von Interesse.

Es wäre allerdings im großtechnischen Produktionsverbund wie bei der BASF nicht wirtschaftlich, die Herstellung von Aromachemikalien in ganz getrennten Wegen aus diesen alternativen Ausgangsstoffen zu etablieren. Daher setzt sich BASF für das Massenbilanzverfahren ein. Hier werden sowohl alternative als auch fossile Ausgangsstoffe verwendet, um in weiteren Schritten einheitlich verarbeitet zu werden. Im Endprodukt kann dann nicht mehr die genaue Menge an nachhaltigem oder erneuerbarem Ausgangsstoff zertifiziert werden. Die Massenbilanz der insgesamt eingesetzten Ausgangsstoffe erlaubt es aber, den Beitrag zur CO2-Reduktion zu berechnen, und kann von einer unabhängigen Prüfinstitution zertifiziert werden.

Während es für den Begriff „Erneuerbarkeit“ keine industrieweite und einheitliche Definition gibt, kann der CO2-Fußabdruck recht gut berechnet werden. Daher wären die mit einem Rohstoff verbundenen CO2-Emissionen eine gangbare „neue Währung“, um nachhaltige Kaufentscheidungen zu leiten. In einem Pilotprojekt mit mehr als 50 teilnehmenden Unternehmen soll dieser Ansatz zu breiter Akzeptanz geführt werden.

Die notwendige Innovation zur nachhaltigeren Produktion von Aromen und Duftstoffen kann insgesamt nur in enger Zusammenarbeit aller Firmen gelingen.

In der anschließenden intensiven Diskussion machte Alain Frix darauf aufmerksam, dass mit Lignin ein in großen Mengen vorhandenes Material noch viel Potential als alternativer Ausgangsstoff bieten könnte.

Nach einer Kaffeepause schloss sich als nächster Vortrag eine spannende Tour de Force durch die Riechstoffchemie an. Dr. Philip Kraft (Symrise AG) stellte unter dem Titel „Parfümerie 2030: Wie riecht die nachhaltige Zukunft?“ Duftstoffe vom Anbeginn der synthetischen Riechstoffherstellung bis heute vor und klassifizierte sie hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und Bioabbaubarkeit.

Am Beispiel von Vanillin, das 1874 von Wilhelm Haarmann aus den Cambialsäften von Koniferen industriell produziert wurde, zeigte er einen Riechstoff, der zwar aus nachwachsenden Rohstoffen stammte, aber dessen Synthese weder grün noch umweltfreundlich war. Heute wird Vanillin aus Abfällen der Holzindustrie mit einem verbesserten Syntheseweg gewonnen.

Vanillin ist mit Coumarin ein wichtiger Bestandteil der Basisnoten von Jicky und Shalimar, ikonische Düfte, die auch heute noch auf dem Markt sind, und die wir riechen konnten.

Dr. Kraft machte deutlich, dass Parfüms eine Signatur brauchen, um erfolgreich zu sein. Hohe Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit seien besonders gut mit sehr intensiven Riechstoffen erreichbar. Bei der Riechstoffforschung seien allerdings meist Kompromisse nötig zwischen der Auswahl erneuerbarer Ausgangsstoffe und dem Ziel möglichst intensive Duftstoffe zu finden.

Die Ansätze der Riechstoffforschung haben sich im Laufe der Zeit auch weiter entwickelt. Anfangs war die Inspiration durch Naturstoffe und deren Synthese ausschlaggebend. In einer zweiten Phase wurden industriell besonders attraktive Reaktionssequenzen durchgetestet. Dies führte zum Beispiel zur Entdeckung von Sandelalkohol aus Terpenolefinen als erstem synthetischen Sandelriechstoff durch Albert Weissenborn (I.G. Farben) Anfang der 1940er Jahre. Iso E super fanden John B. Hall und James S. Sanders (IFF) im Jahr 1975 bei systematischen Studien der Diels-Alder-Reaktion von Myrcen. Hier ist zwar der Ausgangsstoff Myrcen nachhaltig, das Produkt Iso E super jedoch durch seine fehlende Bioabbaubarkeit nicht.

Die dritte Phase ist das ganz gezielte, auf Performance ausgerichtete Design von Riechstoffen. Das gelingt, wenn die olfaktorisch wirksamen Strukturelemente verstanden werden. Ein Beispiel ist der Übergang von makrozyklischen Moschusverbindungen zu hufeisenförmigen linearen Molekülen.

Mit Unilever hat sich ein großes Unternehmen das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 all seine Reinigungsmittel aus 100 % nachhaltigen und 100% bioabbaubaren Rohstoffen herzustellen.

Dies ist für Duftstoffe eine hohe Herausforderung, die die Abkehr von bislang Erfolgreichem und Gewohntem notwendig macht. Besonders bei Moschus- sowie Holz-, Ambra- und Blumennoten sind die 100/100–Duftstoffe selten.

Dr. Philip Kraft stellte mit Lillybelle, Spicatanat, Pearadise, Tiramison und Ysamber K Duftstoffe aus der Symriseforschung vor, die die neuen Anforderungen meist vollständig erfüllen. Schließlich konnten wir noch Mardi Bleu, einen 100% nachhaltigen und zu 61 % bioabbaubaren Unisex-Duft von Anne Dussourt (Symrise) riechen.

Mit insgesamt 17 Riechmustern hat Dr. Kraft seinen Vortrag nachhaltig beindruckend gemacht!

An dieser Stelle sei für alle, die sich weiter in die Riechstoffchemie vertiefen möchten, noch auf die neue Auflage des Buches „Scent and Chemistry – The Molecular World of Odors“, Wiley VCH 2022, hingewiesen.

Den letzten Vortrag des Nachmittags hielt Dr. Annika Batel (BASF SE) unter dem Titel „Green Deal und die neue Chemikalienstrategie – Was bedeutet eigentlich „Safe and Sustainable by Design“ für Duftstoffe?“.

Mit dem Green Deal hat die Europäische Kommission das Ziel formuliert, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, und die Umwelt frei von Schadstoffen zu halten. Dies bedeutet, dass existierende Stoffe auf ihre Toxizität und Umwelteigenschaften überprüft werden müssen, und für Hochrisikostoffe Alternativen zu entwickeln sind. Solche alternativen Stoffe sollen nach dem Grundsatz entwickelt werden, dass sie auf jeden Fall sicher und nachhaltig sind – Safe and Sustainable by Design (SSbD).

Die Generaldirektion Forschung und Entwicklung der Europäischen Kommission hat hierfür eine Empfehlung veröffentlicht, in der eine stufenweise Vorgehensweise vorgeschlagen wird.

Frau Dr. Batel stellte die Kernaspekte im Vorschlag der Kommission vor.

Am Anfang der Prüfung von existierenden oder neuen Stoffen steht stets die Beurteilung der Sicherheit in allen möglichen Anwendungsgebieten. Die erste Beurteilung basiert auf den Gefahren, die mit dem Stoff verbunden sind, unabhängig von der jeweiligen Risikobetrachtung für den angestrebten Einsatzzweck.

Für die BASF bedeutet das, dass der dort etablierte Stage-Gate-Prozess bei der Rohstoffforschung durch viele weitere Prüfungen auf Gefahren in zusätzlichen Anwendungsszenarien und die Abschätzung der Nachhaltigkeitsbilanz neuer Stoffe ergänzt werden muss. Bei Riechstoffen muss dann zusätzlich auch auf Hormonaktivität (endokrine Disruptoren) und ggf. Neuro- und Immuntoxizität getestet werden.

Umweltaspekte sollen durch Life-Cycle-Analysen der Stoffe beurteilt werden. Für die Betrachtung der Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit existieren bislang keine Methoden.

Insgesamt erfordert SSbD viele neue Tests, für die zum Teil keine harmonisierten oder validierten Methoden bestehen, und ist insgesamt sehr komplex. 

Die Empfehlung der Kommission sieht zunächst eine Testphase und einen freiwilligen Meldemechanismus vor. Für Riechstoffe engagiert sich BASF zusammen mit IFRA und anderen Firmen intensiv im Stakeholder-Dialog mit der Kommission, um in Fallstudien zu zeigen, wie hier Innovation im Rahmen der SSbD-Rahmenbedingungen erfolgreich umgesetzt werden kann.

Am Ende werden die in SSbD festgeschriebenen Vorgehensweisen Teil der europäischen Gesetzgebung für das Ökodesign nachhaltiger Produkte werden.

Im Anschluss an das Vortragsprogramm erfolgte die Neuwahl des DGP-Vorstands. Unter der Leitung von Michael Fender, Mitglied des Vorstands des SEPAWA e.V., wurde Frau Dr. Maren Protzen als neue Vorsitzende der DGP einstimmig gewählt. Zu Ihrem Stellvertreter und Vizepräsidenten wurde Jörg Zimmermann ebenfalls einstimmig gewählt. Das Amt der Schriftführerin übernimmt Dr. Anneliese Wilsch-Irrgang, Lars Schlüter wurde als Kassenwart bestätigt (beide einstimmig mit je einer Enthaltung).

Dr. Edison Diaz kandidierte nach fünf Jahren als DGP-Präsident nicht erneut für den Vorsitz. Dr. Anneliese Wilsch-Irrgang dankte ihm im Namen von DGP-Vorstand und Beirat sowie im Namen aller Mitglieder der DGP für seine hoch engagierte und sehr erfolgreiche Tätigkeit. Mit vielen innovativen Ideen, herausragender Teamarbeit und seinem eigenen Schwung hat er sich hervorragend um die DGP verdient gemacht. Die Tagungsteilnehmer spendeten ihm lang anhaltenden Beifall.

Seitens des SEPAWA e.V. dankte Michael Fender Dr. Diaz und überreichte ihm die Ehrennadel in Gold als Zeichen der Anerkennung.

Dr. Maren Protzen stellte sich als neue Vorsitzende vor. Sie betonte, die erfolgreiche Arbeit  fortzuführen, und sprach neue Pläne wie die Einführung eines DGP-Parfümeurspreises und die Darstellung der DGP in sozialen Medien an.

Das Abendprogramm der Tagung startete nach einer kurzen Pause mit einer von BASF ausgerichteten Weinprobe im Kurpark-Hotel. Der BASF-Sommelier Marc Oliver Heilos erläuterte mit viel Witz und Sachverstand drei besondere Pfälzer Weine. Nach diesem anregenden Auftakt genossen die Teilnehmer das Abendbuffet im Hotel und nutzten ausgiebig die Gelegenheit zum Austausch und Netzwerken.

Am Freitag, dem 24.3.2023, besuchten die Teilnehmer die BASF S.E. in Ludwigshafen.

Im neu geschaffenen Besucherzentrum wurden wir ausführlich über die Firma selbst und ihre breite Produktpalette unterrichtet. Es war beeindruckend, in wie vielen Dingen des täglichen Lebens Produkte der BASF unverzichtbar sind.  Anschauliche Exponate und Experimente führten in Projekte zur Etablierung einer Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Energiegewinnung ein.

       

Im neuen Besucherzentrum der BASF

Eine einstündige Werksrundfahrt im Bus gab einen Überblick über die hoch integrierte Produktion des Werkes, Innovationen in der internen Logistik und zahlreiche Einrichtungen, die der Sicherheit des Betriebes, der Mitarbeiter und der Umwelt dienen.

Im Anschluss begrüßte uns Steffen Götz, Vice President Global Sales and Business Management Aroma Ingredients BASF S.E., und erläuterte, dass die Sparte der Aromarohstoffe für BASF erneut an Bedeutung gewonnen hat. Auch hier gehen die Forschungsschwerpunkte in Richtung nachhaltiger Produkte.

Der hoch informative Besuch schloss mit einem Imbiss im Besucherzentrum.

Wir bedanken uns sehr herzlich bei der BASF S.E., Wolfgang Krause, Marc Vesper, Rick Eipl und Silke Weyland, die unseren Besuch perfekt vorbereitet und unterstützt haben!

Es sei noch erwähnt, dass Einblicke in die Arbeit der BASF im Besucherzentrum und eine Werksrundfahrt nach Anmeldung auch für Privatpersonen möglich sind – eine Gelegenheit, die sich kein Interessierter entgehen lassen sollte!

Nach diesem schönen Event konnte man sich schon wieder auf die nächste Veranstaltung freuen - die DGP Studienreise vom 24. - 29. April 2023 nach Tunesien.

Direkt nach Bekanntgabe der Reise, waren die Plätze sehr schnell vergeben und wir hätten wahrscheinlich noch viel mehr Mitglieder mitnehmen können, wenn wir nicht eine Obergrenze von 25 Personen gesetzt hätten. Dieses Mal hatten wir uns für eine pauschale Gruppenreise entschieden, die es uns ermöglichte, tagsüber Ausflüge zu unternehmen und abends im Hotel die Vorteile des "all inclusive" nutzen zu können.

Der Anflug auf Tunesien war atemberaubend. Eben noch über dem blauen Mittelmeer mit seinen kleinen Inseln, flogen wir von Norden kommend, über dem trockenen Küstenabschnitt der tunesischen Peninsula ein.

Die Überfahrt vom Flughafen Tunis zu unserem Hotel Iberostar Averroes in Hammamet dauerte ca. 1,5. Nach dem Einchecken verabredeten wir uns zum gemeinsamen Abendessen, denn im Anschluss um 20 Uhr, sollte bereits der erste Programmpunkt stattfinden. Moncef Ayachi und sein Sohn Ala von der Firma SHEDAN SA, waren extra aus Nabeul angereist, um uns einen Vortrag über die ätherischen Öle in Tunesien zu präsentieren - eine erste Übersicht über die Produkte des Bitterorangenbaumes, sowie weitere typische Pflanzen aus Tunesien, wie Rosmarin und Myrthe.

Unter den Gästen des ersten Abends befand sich auch Madame Slim, General Manager von SHEDAN SA. Jörg Zimmermann übersetze hervorragend und simultan den französischen Vortrag. Im Anschluss wurden uns einige der ätherischen Öle, Concretes und Hydrolate präsentiert. Es wurde rege ausprobiert und gerochen, nachgehakt und besprochen.

Am nächsten Morgen wartete unser Bus bereits um 7.30 Uhr vor dem Hotel zur Abfahrt nach Nabeul zur Firma SHEDAN SA, wo wir um 8.30 Uhr von Moncef und Ala Ayachi empfangen wurden. Nabeul liegt auf der Halbinsel Cap Bon und ist seit jeher bekannt für seine Bitterorangenbäume und die Neroliöl Produktion, umgeben von einem besonders angenehmen, warmen Meeresklima. Nach einer kurzen Begrüßung, bei der auch Madame Slim anwesend war, ging es direkt über zur Besichtigung der Fabrik. Hier wurden die letzten drei Wochen Tag und Nacht Neroliblüten verarbeitet, um aus ihnen das kostbare Neroliöl, das Hydrolat, sowie das begehrte Orangenblüten Absolue zu gewinnen. Der erste große Teil der Fabrik war ein riesengroßer Raum aus Stein, etwas kühler und immer gut durchlüftet. Hier wurden am Abend die geernteten Neroliblüten in Jutesäcken angeliefert und auf dem Boden verteilt, bevor sie zur Befüllung der Alambiken hergenommen wurden. Vier Stunden dauert die Wasserdampfdestillation mit 1,3 t Blütenmaterial. Die Ausbeute von 1000 kg Blüten beträgt zwischen 0,8 kg und 1,2 kg ätherischem Öl. SHEDAN SA verarbeitet jedes Jahr 450 Tonnen Blüten für die Produktion von Neroliöl und Concrete. Dabei verteilt sich ihre Jahresproduktion auf 300 – 330 kg Neroliöl konventionell, 20 – 30 kg Neroliöl bio und 300-400 kg Orangenblüten Concrete. Für die Produktion des Concrete werden die reiferen Blüten genommen, die schon mehr geöffnet sind. Eine Tonne Blüten ergeben zwischen 2 – 2,5 kg Orangenblüten Concrete. Allein in Tunesien werden jedes Jahr 2500 Tonnen Blüten verarbeitet.

Während der drei- bis vierwöchigen Erntezeit im April sind die Destillateure rund um die Uhr damit beschäftigt die geernteten Blüten zu verarbeiten.

Im zweiten Teil des Vormittags haben wir uns auf den Weg gemacht zu den Feldern mit Bitterorangenbäumen von SHEDAN SA, um die Umgebung zu erleben und den Pflückerinnen bei ihrer Arbeit zuzusehen. Herr Ayachi betonte, dass Pflückerin in Tunesien ein bedeutender Ausbildungsberuf sei und es sehr viel Erfahrung bedürfe, bis man die Blüten gekonnt mit einer leichten Drehung von den Zweigen abtrennen könne. Bei einem 7-stündigen Arbeitstag sammelt eine Pflückerin zwischen 10 und 12 Kilo Blüten am Tag.

Obwohl die Blüten gepflückt werden ist auch die Pollenisierung wichtig, wodurch Vielfalt und Widerstandskraft der Bitterorangenbäume erhöht wird. Bitterorangenbäume können bis zu 80 Jahre alt werden. Die meisten Bäume in der Region sind um die 30 Jahre alt und wurden in den Jahren 1990 und 2000 gepflanzt. Gegen Mittag kamen wir wieder im Hotel an, um uns am Mittagsbüffet zu stärken, bevor wir am frühen Nachmittag wiederum aufbrachen, um die Firma BIGAFLOR SA in Tazarka zu besichtigen. Auf dem Hinweg fuhren wir entlang des Cap Bon, bis zu ihren Feldern, die mit Bitterorangenbäumen üppig bestückt waren. Herr Ouahada, Direktor von BIGAFLOR SA, führte uns direkt in den Garten hinter einem großen hölzernen Tor. Einige Männer auf Leitern waren hier damit beschäftigt Neroliblüten von den Bäumen zu trennen und auf die darunterliegenden Netze fallen zu lassen. Da hier auch einige Blätter dabei waren und diese bei der reinen Destillation der Neroliblüten störend sind, wurde die Mischung aus Blüten und Blättern mithilfe eines Siebes schüttelnd getrennt.

Bei dem anschließenden Fabrikbesuch konnten wir dem Extraktionsprozess der Neroliblüten beizuwohnen. In die Halle mit den Alambiken wurde gerade das duftende Concrete aus Orangenblüten durch Auswaschen mit Hexan gewonne. In einem leichten Erwärmungsprozess unter Vakuum, wird dann das Hexan abgesaugt, später mit Alkohol verdünnt und runtergekühlt, um nach anschließender Filtrierung das herrlich duftende Orangenblüten Absolue zu erhalten.

Zeitgleich in einem anderen Raum wurden gerade Bio-Rosenblüten destilliert. Die großen Mengen an Rosenblüten, die tagsüber von der Sebri Group aus Kairouan angeliefert wurden, lagen nun gut ausgebreitet auf dem Boden einer schattigen, gut durchlüfteten Halle, bevor sie weiter für die Destillation benutzt wurden.

Im ausgebreiteten Zustand durchlaufen die Rosenblüten eine leichte Mazeration und werden davor bewahrt durch zu viel Wärmeentwicklung zu fermentieren. Der nächste Aufenthalt ist dann in einem Kühlraum, der die Blüten frisch hält, bevor sie weiterverarbeitet werden. Der Anblick der ausgebreiteten Rosenblüten war sehr beeindruckend und lud viele Mitreisende zum Fotografieren ein.

Im Anschluss konnten wir noch Qualitäten von Neroli, Petitgrain Bigaradier, Orangenblüten Absolue, Rosmarin, Myrthe, Rose, sowie das Bitterorangenöl aus den Fruchtschalen riechen. Daneben präsentierte BIGAFLOR SA auch eine Auswahl seiner floralen Hydrolate.

Am nächsten Morgen starteten wir früh in Richtung Kairouan, etwa 1,5 Stunden südwestlich von Hammamet. Kairouan ist seit jeher das religiöse Zentrum Tunesiens und viele der alten Bauten zeugen noch heute von einer langen Tradition.

Direkt an der ersten Kreuzung trafen wir auf Herrn Chourabi, der uns im Namen der SEBRI GROUP willkommen hieß. Gemeinsam mit seinen Kollegen, wies er uns den Weg auf ihre Felder. Die SEBRI GROUP ist durch den Abbau von Quarzsand groß geworden und investiert seitdem in ambitionierte Projekte und in die Landentwicklung. Mittlerweile haben sie große Landflächen kultiviert und Olivenbäume gepflanzt, dazu Bewässerungssysteme installiert, die über mehrere Kilometer Wasser aus dem gesammelten Vorrat der Zisterne transportieren können. Nach einer längeren Fahrt durch Olivenplantagen, stoppten wir inmitten der Felder vor einer Anlage zur Gewinnung von Olivenöl. Da die Produktion nur im Herbst/Winter Herbst stattfindet, konnten wir die Hallen und Maschinen, sowie die großen Edelstahlcontainer, die mehrere tausend Kilo Olivenöl lagern können, in Ruhe besichtigen

Die SEBRI GROUP hatte anlässlich unseres Besuchs eine Politikerin aus Tunis bestellt, sowie einige vor Ort ansässige Politiker für Landentwicklung und Landwirtschaft. Sie fuhren mit uns zu den Rosenfeldern.

Herr Chourabi berichtete, dass die Rosenfelder der SEBRI GROUP aus 1000 Hektar zertifizierter Bio-Rosen bestehen und sich auf folgende Rosensorten verteilen: 55 % Rosa Damascena, 40 % Rosa Centifolia und 5 % Rosa Gazanlik aus Bulgarien. Die Ernte dauert ca. 60 - 70 Tage von Mitte März bis Mitte Mai. Geerntet wird ab Sonnenaufgang für etwa 4 - 6 Stunden. Die geernteten Rosenblüten werden in feuchten Jutesäcken innerhalb von 30 Min. zur Destille transportiert. Dazu steht eine Flotte aus 60 landwirtschaftlichen Traktoren mit einer Zuglast von 2,5 Tonnen bereit. Die Gesamtkapazität beläuft sich somit auf 150 Tonnen pro Konvoi. Bei Anlieferung kommen die Rosenblüten in einer 4000 Quadratmeter großen, überdachten Halle an, mit thermischer Isolierung, ausgelegt für einen 48-Stunden Ruhezyklus. 98 Kühlräume für eine Gesamtmenge von 7500 Tonnen Rosenblüten stehen zusätzlich zur Verfügung. Für die Zukunft hat Sebri Group Destillen installiert, die bald in Betrieb genommen werden sollen. In dieser ersten Umsetzungsphase wurde ein Dampfkessel mit 8 Destillen installiert für eine Kapazität von 55 Tonnen Rosenblüten pro Tag. Das Gebäude erstreckt sich über drei Stockwerke und wurde aus verstärktem Beton gebaut. In den Jahren 2025-2027 soll eine zusätzliche Einheit mit Dampfkessel und 75 Tonnen Verarbeitungskapazität pro Tag, in einem 4500 Quadratmeter großen Gebäude, umgesetzt werden. Außerdem wird es ein Labor mit Kühlräumen für die Endprodukte geben - für Rosenöl, Rosen Hydrolat und Rosen Concrete.

Für das Nachmittagsprogramm war eine geführte Tour durch Kairouan geplant. Kairouan ist die vierte heilige Stadt im Islam und Zentrum der Teppichherstellung, die wir neben den vielen traditionellen Wohnhäusern und verzweigen Gassen besichtigen konnten. Zum Abendessen waren wir wieder im Hotel.

Am Donnerstag stand die längste Fahrt auf unserem Programm und sollte uns über Kairouan in den südwestlichen Teil Tunesiens bringen, in die 3,5 Stunden entfernte Region rund um Kasserine. Pünktlich um 7.30 Uhr starteten wir mit unserem Reisebus, sodass wir gegen 11 Uhr bei unserem Gastgeber NOPAL TUNISIE, eintreffen konnten. Herr Bannani, Direktor von NOPAL TUNISIE, erwartete uns bereits an seinem Firmengebäude unweit der Kaktusfeigenplantagen. Wir genossen eine kleine Erfrischung aus Getränken und Gebäck, während wir einem kurzen Vortrag über Kaktusfeigen und ihrer Verarbeitung bekamen und Informationen über die hauseigene Marke erhielten.

Darauf folgte eine Begehung der Kaktusfeigenplantagen auf der Anhöhe. Während wir in der Mittagssonne über den staubigen Boden zwischen den Kaktusfeigen liefen, erzählte uns Herr Bannani, dass NOPAL TUNISIE 2005 von ihm als Familienunternehmen gegründet wurde und dass Familie Bannani bereits seit mehr als fünf Generationen Kaktusfeigen kultiviert hat. Das Unternehmen ist auf die Produktion und Verarbeitung von Kaktusfeigen (Opuntia Ficus indica) spezialisiert und produziert mehr als 15 Kosmetik- und Lebensmittelzutaten auf Kaktusfeigen Basis. Ein Hauptprodukt von NOPAL TUNISIE ist das native Öl aus Bio-Kaktusfeigenkernen, das als Neuentdeckung in der Naturkosmetikbranche gilt. Das Öl ist sehr reich an Vitamin E und hat Anti-Flecken, Anti-Augenring, Anti-Falten und straffende Eigenschaften, welche durch eine klinische Studie des Eurofins-Labors im Auftrag nachgewiesen wurde. Kaktusfeigenkernöl ist sehr kostbar – um ein Kilo Öl zu erhalten, müssen 1200 kg Kaktusfeigen verarbeitet werden. Das Unternehmen bewirtschaftet eine 420 Hektar große Kakteenplantage, die von ECOCERT, COSMOS, USDA und auch Fair-Trade-FFL zertifiziert ist. Exportiert wird das Bio-Kaktusfeigenkernöl in mehr als 22 Länder, darunter auch Deutschland. Neben dem Feigenkaktus produziert NOPAL TUNISIE auch andere Bio-Pflanzenöle wie Dattelkernöl, Granatapfelkernöl und Wassermelonenkernöl sowie ätherische Öle in Bio-Qualität aus Rosmarin, Beifuß und wildem Fenchel (Deverra scoparia).

Als wir vom Feld zurückkamen bekamen wir eine Stärkung mit Blick auf das Atlasgebirge. Auf der Rückfahrt konnten wir noch die Fabrikgebäude und die Produktion des fetten Kaktusfeigenkernöls ansehen. Auch eine kleine Destillationsanlage für Ätherische Öle. Hier konnten wir auch wieder Muster riechen und als Probe mitnehmen. Das Sightseeingprogramm am darauffolgenden Tag, ergänzte die Studienreise mit viel Wissen über die Historie, Kultur und die Religionen des Landes, was zum Verständnis der Wirtschaft und der Arbeitsumstände in Tunesien notwendig war. Vier intensive Studienreisetage konnten somit das Wissen der Teilnehmer über die wichtigen Parfumrohstoffe Tunesiens erweitern und zur Wertschätzung dieser Produkte beitragen.

Auf dem SEPAWA-Kongress 2023 vom 25. – 27. 10.2023 gestaltete die DGP dann wieder die Fragrance Lounge und einen Vortragsvormittag zu Duftthemen.

Das Motto dieses Jahres war ARTelier and Scent – das Zusammenspiel von Kunst und Duft.

Für die Fragrance Lounge war eine Ausschreibung an Parfümeure erfolgt, sich von dem im Estrel-Hotel im Original hängenden abstrakten Gemälde „Gathering“ von Andreas Eriksson zu einem Duft inspirieren zu lassen.

Die DGP erhielt über 20 Einsendungen. Drei Düfte wurden von einer Fachjury als Gewinnerdüfte in den Kategorien Komposition, Interpretation und Uniqueness ausgewählt. Am Mittwoch, 25.10.2023, wurden sie in der Fragrance Lounge vorgestellt und die jeweiligen Parfümeurinnen und Parfümeure geehrt.

Für das Kriterium Komposition gewann der Duft Gökotta der Parfümeurin Ana Ripoll (Iberchem SAU). Für Ana Ripoll ist ihr Duft eine olfaktorische Reise durch das Bild, in dem einzelne Farben und Farbverläufe zu einem blumig-würzig weichen Duft wurden.

In der Kategorie Uniqueness wurde Green Thought von Marine Ipert (Takasago) ausgezeichnet. Marine Ipert schuf einen eleganten und harmonischen Duft mit einer ungewöhnlichen Kombination aus warmen Noten mit grünen Facetten.

Als Gewinner der Kategorie Interpretation setzte sich der Duft Entropy des Parfümeurs Christopher Pickel (Symrise AG) durch. Christopher Pickel sah die einzelnen Farben des Bildes als Synonyme für das natürliche Chaos und den Verfall aller menschengemachten Dinge und schuf einen holzig, würzig, grün-erdigen Duft.

Alle drei Düfte hatte die SEPAWA als Roll-Ons herstellen lassen.

Sie wurden den Besuchern in der Fragrance Lounge erläutert und ausgehändigt. Dazu erfolgte auch eine Umfrage, inwieweit die Düfte die Wahrnehmung des Bildes Gathering beeinflussen. Mehr als 70% der 133 Teilnehmer an der Umfrage gaben an, durch einen Duft stärkere persönliche Assoziationen zum Gemälde zu haben, und sich auf andere Details als beim bloßen Betrachten konzentrieren zu können. Mit dem Riechen sahen die Besucher mehr!

„You see more when you smell – Scent Creations for Museums of Visual Art“ – genau dies war der Titel des ersten Vortrags der Fragrance Session am Donnerstagvormittag.

Bernardo Fleming berichtete über die Zusammenarbeit von IFF mit Dr. Caro Verbeek, Kunsthistorikerin an der Freien Universität Amsterdam, und dem Rijksmuseum Amsterdam. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt wurden Konzepte entwickelt, mit denen durch Duft in Museen für bildende Kunst der Zugang zu Kunstwerken intensiviert werden kann. Herausforderungen waren dabei sowohl die geeignete Präsentation der Düfte wie auch die Tatsache, dass Parfümeure und Kunsthistoriker nicht die gleiche Sprache sprechen und so das Briefing erstmal ein gemeinsames Verständnis des Kunstwerkes erforderte.

Als erstes Beispiel für einen Duft zu einem Gemälde führte Bernardo Fleming einen intensiven Rosenduft für „Die Rosen von Heliogabalus“ von Alma-Tadema vor. Hier wird die Masse von Rosenblättern, mit der der römische Kaiser Elagabalus die Gäste seines Banketts überschwemmt, auch olfaktorisch repräsentiert.

Eine weitere Herausforderung bei der Entwicklung von Düften zu Gemälden ist es auch, dass Parfümeure und Parfümeurinnen hier aufgefordert sein können, durchaus unangenehme Düfte zu gestalten.

Hier zeigte Bernardo Fleming dem Auditorium den Duft zum Gemälde „Die Schlacht bei Waterloo“ von Jan Willem Pieneman. Schweiß, Pulverdampf und feuchte Erde sind vereint mit einem schwachen Hauch von Eau de Cologne, der den abgezogenen Kaiser Napoleon symbolisiert. Die historische Tatsache, dass Napoleon ein ständiger Verwender von Eau de Cologne war, prägte sich den Besuchern des Museums mit Hilfe dieses Duftes nachhaltig ein.

Düfte in Museen können auch auf Gemälden abgebildete Objekte in ihrer historischen Nutzung verdeutlichen. So waren vom Mittelalter bis ins 17. Jahrhundert Pomander in wohlhabenden Kreisen verbreitet und wurden auf Portraits gezeigt, um den Status des Trägers wiederzugeben. Pomander enthielten zu medizinischen Zwecken aromatische und wohlriechende Stoffe und sollten den Träger vor schlechter Luft und damit Krankheit schützen. Der aus überlieferten Rezepturen für solche Pomander kreierte Duft wurde im Vortrag vorgestellt – er ist komplex und enthält neben vielen Gewürznoten auch Moschus, Amber, Harze und Rosenöl.

Die Forschung mit unterschiedlichen Besuchergruppen am Rijksmuseum Amsterdam zeigte deutlich, dass zusammen mit einem Duft Kunstwerke intensiver wahrgenommen werden, und ein Eintauchen in Zusammenhänge der Darstellungen erfahrbar wird.

Als Abschluss seiner Präsentation berichtete Bernardo Fleming über ein Projekt mit dem Kunstmuseum Den Haag aus Anlass des 150. Geburtstags von Piet Mondrian im Jahr 2022.

Die sehr klare, aufgeräumte Einrichtung seines New Yorker Ateliers (1940 – 1944) wurde durch einen frischen und einfachen Duft mit Noten von Terpentin, Leim, Orangen und Holz von Orangenkisten (daraus waren seine Möbel) untermalt.

Schließlich konnte das Auditorium noch einen Duft riechen, der zum letzten Werk von Mondrian „Victory Boogie Woogie“ kreiert wurde. Hier ist vor allem die vertikale und horizontale Bewegung im Bild wie auch beim Boogie Woogie repräsentiert.

An den Vortrag schloss sich eine sehr lebhafte Diskussion an, die von Jörg Zimmermann moderiert wurde.

David Reinbold, der diesjährige Gewinner des Förderpreises der DGP, berichtete anschließend unter dem Titel „The Digitization of Scent and Olfaction – Scientific Findings, Technical Standards, and Industry Insights“ über die Ergebnisse seiner prämierten Bachelorarbeit an der Hochschule Furtwangen.

Er erläuterte, dass der Begriff Digitalisierung für Düfte und das Riechen nicht so klar definiert ist wie etwa bei visuellen oder akustischen Informationen. Düfte selbst und ihre subjektive Identifizierung sind komplex. Sie triggern Emotionen und Erinnerungen, können die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit erhöhen, und positiv auf die Gesundheit wirken.

Er zeigte historische Beispiele für den Versuch, Düfte digital gesteuert freizusetzen. Hans Laube etwa spielte im Jahr 1959 mit dem Smell-o-Vision-Konzept Düfte zu einem Film. Das gelang wegen mangelnder Synchronisation mit den Bildern und Vermischung der Düfte nicht gut. Mit Digiscent’s „iSmell“ und dem an eine VR-Maske angebrachten „ION“ von OVR Technology wurden neue Entwicklungen zur gezielten digital gesteuerten Freisetzung von Geruch präsentiert.

Unter dem Terminus digitale Dufttechnologien hat David Reinbold neben der digital gesteuerten Freisetzung von Düften auch die Felder Erkennung von Gerüchen, Erkennen visueller Daten für die Zuordnung von Düften und computergestützte Strukturanalyse von Duftstoffen gefasst.

Elektronische Nasen sind als hochspezifische Sensoren für die Erkennung einzelner Gerüche in der Qualitätskontrolle, Luftüberwachung und in medizinischen Anwendungen etabliert.

Mit Graph Neural Networks wird versucht, Korrelationen zwischen der Molekülstruktur und dem Geruch von Stoffen zu ermitteln.

Als Ergebnis zahlreicher Interviews mit Industrieexperten bleibt die Feststellung, dass die Digitalisierung von Duft und Riechen weiterhin am Anfang der Entwicklung steht. Es braucht durchschlagende technologische und wissenschaftliche Innovationen, um in den Bereichen Freisetzung, Erkennen/Identifizieren und Kreation von Düften weiterzukommen. Dies ist in jedem Fall lohnend, wenn man den großen Einfluss von Duft in Lehre, Gesundheitswesen und Kundenerlebnis betrachtet. Die vielversprechendsten neuen Anwendungen werden derzeit medizinischen Bereich gesehen.

Im Anschluss gratulierte Dr. Maren Protzen, die Präsidentin der DGP, David Reinbold zum Gewinn des Förderpreises 2023 und bedankte sich bei ihm für seinen exzellenten Übersichtsvortrag. 

Im letzten Beitrag der Fragrance Session ging es wieder um die Kunst. Der interdisziplinäre Künstler Omer Polak, Professor an der Internationalen Fachhochschule Berlin, gab einen Einblick in seine vielfältigen Projekte zu sensorischen Eindrücken mit seinem Vortrag „OLFACTIVE – CREATIVE Smell as a design tool“.

Mit der kontinuierlichen Probennahme seines eigenen Körpergeruchs über mehrere Tage stellte er fest, dass er nach anfänglichem Nicht-Wahrnehmen im Laufe der Zeit immer deutlicher Veränderungen seines körperlichen und mentalen Zustands auch am Körpergeruch erkannte.

Eine sehr umfangreiche Arbeit zusammen mit der Fa. Symrise und deren Parfümeur Marc vom Ende war der „Riechwald“, eine Duft- und Soundinstallation im Rahmen der Ausstellungsreihe Sense Me im Trapholt Museum, Dänemark. Omer Polak sammelte in der Natur den Headspace von feuchter Erde, Pilzen, Baumharz, Moos und weiteren Stoffen, und gleichzeitig auch Töne des Waldes. Die Headspace-Proben wurden bei Symrise analysiert, und die Düfte rekonstruiert. Sodann brachte Omer Polak sie in hängende Rattanstäbe ein, an denen Besucher der Ausstellung sie in einem ansonsten ganz nüchtern gestalteten Raum riechen konnten und dazu Naturgeräusche hörten. Das Auditorium roch einen Pilzduft und den Schweißgeruch eines Säugetiers.

Beim Projekt „Teig blasen“ im Rahmen der Designwoche 2014 in Jerusalem stellten Omer Polak und sein Team Teigballons mit Hilfe eines Industriegebläses in einer Pop Up Werkstatt her. Der Teig war gefärbt und mit aromatisierter Luft gefüllt – das ergab bei den Besuchern, die die sehr dünnwandigen Ballons aßen, eine ganz neue sensorische Erfahrung des Grundnahrungsmittels Brot.

Auf der Webseite www.omerpolak.com sind diese außergewöhnlichen Projekte im Einzelnen dokumentiert. Dr. Edison Diaz, Symrise, bedankte sich bei Omer Polak für seinen inspirierenden Vortrag.

Am Donnerstagnachmittag gab dann wieder der gut besuchte Sektempfang der DGP in der Fragrance Lounge den Mitgliedern unserer Gesellschaft Gelegenheit zum persönlichen Austausch.

Autoren: Anneliese Wilsch-Irrgang, Jörg Zimmermann, Maren Protzen