DGP-Frühjahrstagung in Leipzig
Am 11. Und 12. April 2019 fand die Frühjahrstagung der DGP in Leipzig statt, der „Wiege der Parfümerie in Deutschland".
Sechs Fachvorträge und ein Besuch bei der Firma Bell boten den 75 Teilnehmern vielfältige Informationen und Eindrücke.
Im Tagungs-Hotel Radisson Blu am Augustusplatz in Leipzig eröffnete der DGP Präsident Edison Diaz die Tagung mit einem Auszug aus Texten und Fotos in der DGP Chronik, denn die DGP feiert in diesem Jahr ihr 40jähriges Bestehen.
Im ersten Fachvortrag beleuchtete Dr. Stefan Müller, Geschäftsführer von Miltitz Aromatics, die spannende Geschichte der mitteldeutschen Chemieindustrie und speziell der Riechstoffherstellung in Miltitz und Bitterfeld. „Miltitz Aromatics - was Lagerfeld und Bitterfeld verbindet" - dies sind vor allem für die Parfümerie wichtige Riechstoffe, wie z.B. spezielle Makrozyklen, die in der Region hergestellt wurden und werden.
Frau Professorin Jessica Freiherr, Universität Erlangen, erläuterte in ihrem Vortrag „Das riecht aber gut! - Wie werden Gerüche wahrgenommen und verarbeitet?" neueste Erkenntnisse zu den hirnphysiologischen Vorgängen beim Riechen. In MRT-Scans des Gehirns sind die Aktivierungsmuster beim Riechen gut zu lokalisieren, übrigens auch wenn die Probanden bewusst noch gar keinen Dufteindruck wahrnehmenAuch gibt es deutliche Unterschiede der Hirnaktivität zwischen Laien und Parfümeuren beim Riechen - für Parfümeure ist deutlich weniger „Anstrengung" zu erkennen, und ein ausgeprägtes Vermögen, sich Düfte vorzustellen.
Um die menschliche Wahrnehmung ging es im dritten Fachvortrag von Professor Hans-Willi Schroiff, Mind Chainge Business Consulting, unter der Überschrift „Die Welt wird digital, der Mensch bleibt analog". Sehr anschaulich und unterhaltsam ging Prof. Schroiff auf die grundlegende motivationale Architektur beim Menschen ein, mit den Polen Dominanz- Balance-Stimulanz.
Während visuelle und akustische Informationen digital verarbeitet werden können, ist dies für haptische und olfaktorische Eindrücke (noch?) nicht möglich. Damit behält der Duft weiterhin seine herausragende Rolle, schnellstmögliche „Schüsse" ins emotionale Gehirn des Menschen zu senden, und so Entscheidungen maßgeblich mit zu bestimmen.
Den Abschluss des Vortragsteils am Donnerstag machte Dr. Wolfgang Groß, Inhaber der Fit GmbH, mit dem Beitrag „Unternehmen im Mittelstand: David gegen Goliath, oder Das letzte gallische Dorf in der Oberlausitz". Nach der Wende suchte Dr. Groß die unternehmerische Herausforderung im Osten Deutschlands und konnte schließlich die Firma Fit in Hirschfelde erwerben. Das Spülmittel Fit ist eine altbekannte Marke gewesen, die ihren Markenkern behielt und sich bis heute sehr gut im Markt behauptet.
Neben den Fachvorträgen gab die Tagung auch wieder Gelegenheit zum ausgiebigen Netzwerken der Teilnehmer.
Bei der Abendveranstaltung in Auerbach's Keller fand dies wie gewohnt angeregt und informativ statt, gewürzt durch eine schauspielerisch vorgetragene Erläuterung der im „Goethekeller" befindlichen Wandgemälde mit Motiven des Faust.
Am Freitag stand dann der Besuch bei der Firma Bell Flavors & Fragrances in Miltitz auf dem Programm. Der Geschäftsführer, Herrn Wolfgang Blume, und Herr Dr. Krause, ehemals Analytiker bei Miltitz und Bell, begrüßten die DGP-Gruppe. Viele Teilnehmer der Tagung erfuhren anschließend wohl erstmals, welch lange Geschichte und wichtige Forschungsergebnisse mit der Riechstoffherstellung in Miltitz verbunden sind. Herr Ronald Piech, Miltitz Aromatics GmbH, legte dar „Wie die Leipziger Unternehmerfamilie Fritzsche mit SCHIMMEL&CO. zu einem der Pioniere der internationalen Industrie für Düfte und Aromen ward". Aus den Anfängen im Jahre 1829 entwickelte sich bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs eine der weltweit größten und bedeutendsten Riechstofffirmen mit verschiedenen Produktionsstandorten in Europa und USA. Die Herstellung neuer Riechstoffe, Optimierung von Syntheseverfahren, aber auch wesentliche Verbesserungen in der Extraktion Ätherischer Öle
Unter dem Titel „Parfüm und Kunst" gab Frau Justyna Dehne-Degenkolb, Senior Parfümeurin bei Bell, uns einen hervorragenden Einblick in die enge Verbindung dieser beiden Aspekte der Kultur.
Im Anschluss war es noch ein besonderes Erlebnis, die Schätze der Schimmel-Bibliothek in Augenschein nehmen zu dürfen. Hier sind neben Forschungsergebnissen der Riechstoffchemie viele weitere Arbeiten zu Naturstoffen und ihrer Gewinnung zusammengetragen - eine Bibliothek, die noch immer eine herausragende Stellung als Sammlung der wissenschaftlichen Grundlagen unseres Metiers innehat.
Der Dank der DGP geht an Herrn Wolfgang Blume und sein Team bei Bell, die den Besuchern mit der Öffnung der Schimmel-Bibliothek in ihrem Hause die reiche Geschichte der Riechstoffchemie in Mitteldeutschland erlebbar machten.
DGP-Studienreise Grasse
Vom 7.-10. Mai 2019 führte die DGP eine Studienreise nach Grasse durch.
Die Reise war von Daniel Dillenseger unter Mithilfe von Guy Vogel perfekt organisiert - ein großer Dank geht an sie!
25 DGP-Mitglieder hatten die Gelegenheit, die Gewinnung wertvoller essentieller Öle von den Feldern bis zur Aufarbeitung kennenzulernen. Wir konnten die Firmen IFF / LMR und Robertet in Grasse sowie Mane et Fils in Le Bar sur Loup besichtigen. Dazu boten Besuche im Musee Internationale de Parfum (MIP) in Grasse und ein Austausch mit PRODAROM, dem französischen Verband der Riechstoffindustrie, vielfältige weitere historische und wirtschaftliche Informationen.
In der Domaine de Manon erläuterte die Inhaberin Carole Biancala auf ihren Feldern mit Rosen, Tuberosen und Jasmin die Vorgehensweisen beim Anbau der Duftpflanzen für hochwertige Parfümrohstoffe. In Grasse wird die Rosa centifolia oder Rose de Mai angebaut, die zwar weniger Ertrag bringt als andere Sorten, dafür aber mit einem sehr komplexen Duft überzeugt. Da der Duft der Rosenblüten sich im Verlauf eines Tages und der Ernteperiode immer verändert, ist für Grasse die „Communelle" typisch - die durch Hexanextraktion gewonnenen Rosenöle werden am Ende der Erntezeit zu einer einheitlichen Qualität gemischt.
Das Musee Internationale de Parfum bot einen exzellenten Einblick in die Geschichte der Parfümerie seit dem Altertum, mit Fokus auf die Bedeutung dieser Industrie für Grasse. Es existieren in Grasse 70 Unternehmen der Duftstoffbranche, mit insgesamt 5000 Beschäftigten. Die UNESCO hat im Jahre 2018 die Parfümerie in Grasse als Weltkulturerbe anerkannt.
Ein absolutes Highlight war der Garten des MIP, in dem uns unsere sehr engagierte und kenntnisreiche Führerin Diane Saurat die verschiedensten Duftpflanzen erläuterte. Blühende Iris, Rosen, Jasmin, Cistrosen und unzählige weitere Duftpflanzen waren ein Fest für alle Sinne. Ein Besuch in diesem Wundergarten kann nur jedem empfohlen werden!
Die große Vielfalt der Naturstoffe und ihrer Aufarbeitungstechniken stand im Vordergrund der Firmenbesuche.
Bei IFF/LMR lernte die Gruppe die Methoden kennen, mit denen dort kostbare und sehr hochwertige natürliche Duftstoffe gewonnen werden. Besonders die Kurzwegdestillation, eine Destillation unter Vakuum bei niedrigen Temperaturen, bietet die Möglichkeit, charakteristische Noten aus den Naturstoffen zu isolieren. Auch präsentierte uns Christine Mortimer hier neue spezielle Qualitäten und das Erbe von Monique Remy.
Bei Robertet, wo auch die Ernte der Domaine de Manon weiterverarbeitet wird, konnten wir eine für uns zurückgehaltene Charge Rosenblüten sehen, fühlen und riechen. Die Technik der Lösungsmittelextraktion wurde uns vorgeführt, andere Techniken im Überblick erläutert.
Ein Rundgang durch die Produktionsanlagen in Grasse und Kennenlernen verschiedener Ausgangsmaterialien gehörte ebenso zum Besuchsprogramm.
Der Besuch bei Mane et Fils gab ebenfalls einen praktischen Einblick in die Herkunft von Düften - Weihrauchharz, Elemiharz, Rosenblüten und andere Naturstoffe waren zu riechen, und die Anlagen zur Gewinnung der Essenzen wurden vorgestellt. Hier beeindruckte der große Maßstab der Produktion. In einem kurzweiligen Duftquiz präsentierte unser Gastgeber Christian Eberhard neue Riechstoffe von Mane.
Dr. Anneliese Wilsch-Irrgang (Henkel AG&Co.KGaA) & Dr. Edison Diaz (Symrise AG)